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01. Juni 2022

„Das Allerwichtigste ist die Ausbildung von einheimischen Mitarbeitern“

Dr. Annemarie Schraml von der Aktion Feuerkinder im Gespräch

Arusha/ Nürnberg – Die Ärztin und Initiatorin der Aktion Feuerkinder Dr. Annemarie Schraml hat kürzlich ihren 70. Geburtstag gefeiert. Noch immer reist sie zwei- bis dreimal pro Jahr mit einem Team von Ehrenamtlichen nach Tansania, um kostenfrei Kinder zu operieren und medizinisch zu versorgen. Der letzte Einsatz liegt gerade wenige Wochen zurück. Im Interview erzählt sie von der Lage in dem ostafrikanischen Land und von neuen Plänen.

Der jüngste war bereits ihr 35. Einsatz für die Aktion Feuerkinder in Tansania. Entdecken Sie immer noch Neues?

Dr. Annemarie Schraml: Natürlich! Gerade beim letzten Mal sind viele Kinder aus abgelegenen Teilen Tansanias gekommen. Eigentlich gibt es mittlerweile in dem Zentrum in Arusha, mit dem wir zusammenarbeiten, eine eigene Klumpfuß-Einheit. Deswegen dachten wir, dass weniger Kinder kommen würden. Aber nein, es wurden Kinder aus noch weiter entfernten Orten gebracht.

Was ist Ihnen aus den vergangenen 22 Jahren besonders im Gedächtnis geblieben?

Mir sind einige Kinder – die heute schon Jugendliche oder junge Erwachsene sind – besonders in Erinnerung geblieben. Deren Leben hat sich wirklich grundlegend verändert. Mit einigen bin ich über WhatsApp in Kontakt geblieben. Wenn wir zu Einsätzen im Land sind, kommen sie, um sich zu bedanken. Da ist zum Beispiel Peter. Er wurde 2004/05 mit Unterstützung einer Schweizer Franziskanerin aus 150 Kilometern Entfernung ins Nkoaranga-Krankenhaus gebracht. Peter litt an schwersten Klumpfüßen, wegen der wir ihn innerhalb von drei Jahren immer wieder operierten. Am Anfang konnte er nicht gehen, dann war das möglich. Irgendwann konnte er zur Schule gehen, machte als einer der Besten seines Jahrgangs seinen Abschluss. Peter hat ein staatliches Stipendium erhalten und studiert in Mwanza in West-Tansania. Nächstes Jahr wird er voraussichtlich mit seinem Studium fertig sein. Darum geht es bei der Arbeit der Aktion Feuerkinder. Eigentlich war im Jahr 2000 nur ein einmaliger Einsatz im Usa River Rehabilitation Centre geplant. Aber der unendliche Bedarf, die Armut, die so groß ist, Kinder, die sonst keine Chance hätten, am Leben teilzuhaben, zur Schule zu gehen und einen Beruf zu erlernen, waren der Grund dafür, dass sich das Projekt weiterentwickelt hat. Durch die Zusammenarbeit mit dem Usa River Rehabilitation Centre ist es für die behinderten Kinder möglich, eine Berufsausbildung zu machen.

Das Team der Aktion Feuerkinder besteht aus Ehrenamtlichen. Wie gelingt es Ihnen, immer genug Helfer*innen zu motivieren?

Da muss ich nichts dafür schaffen. Die Leute fragen bei mir nach. Ich berichte viel über unser Projekt. Ich werde immer wieder gefragt, ob ich noch Mitarbeiter brauche. Dann spreche ich mit den Leuten und gucke, ob sie ins Team passen. Wenn dann wieder ein Einsatz ansteht, rufe ich an und frage, wer Zeit hat.

Mit Hilfe von Spenden wurde ein neuer Operationstrakt gebaut. Was war es für ein Gefühl, darin jetzt zum ersten Mal zu operieren?

Es hat etwa eineinhalb Jahre gedauert, bis der neue Operationstrakt fertiggestellt war. Wegen der Corona-Pandemie konnte er erst jetzt eingeweiht werden. Es war ein wunderschönes Gefühl, zum ersten Mal darin zu operieren. Es sind sehr schöne Räumlichkeiten. Anfangs haben wir im alten OP-Saal operiert, den wir dann auch renoviert haben. Aber es waren doch beengte räumliche Bedingungen. Jetzt haben wir im neuen OP-Trakt drei Operationssäle, ein Verbandszimmer und Nebenräume für die Sterilisation und Aufbereitung. Es ist ein wunderschönes Arbeiten. Was mich so freut, ist, dass der OP von den einheimischen Mitarbeitern so gut genutzt wird. Mittlerweile arbeiten drei Ärzte im Nkoaranga-Krankenhaus, deren Ausbildung wir finanziert haben. Die operieren jetzt in den großzügig gestalteten OP-Sälen unter sehr guten räumlichen Bedingungen.

Was unternehmen Sie alles, um nachhaltig zu helfen?

Das Allerwichtigste ist die Aus- und Weiterbildung von einheimischen Mitarbeitern. Uns war es von Anfang an ein Anliegen, dass Ärzte, Orthopädietechniker, Krankenschwestern, Pfleger und Physiotherapeuten im Land ausgebildet werden. Durch Hospitationen an der Cnopfschen Kinderklinik und am Klinikum Hallerwiese in Nürnberg wurden sie zusätzlich fortgebildet. Für die Nachsorge der behinderten Patienten haben wir eine orthopädische Werkstatt eingerichtet und die entsprechenden Mitarbeiter angestellt. Das Nachhaltigste ist, dass in Usa River eine Klumpfußeinheit entstanden ist, die Kinder nach der gängigen Ponsati-Methode behandelt.

Wie klappt die Zusammenarbeit mit den tansanischen Mediziner*innen und Pflegekräften?

Die Zusammenarbeit klappt ganz hervorragend. Wir verständigen uns auf Englisch. Die Landessprachen in Tansania sind Kisuaheli und Englisch. Alle, die die Mittelschule abgeschlossen haben, können Englisch.

Die Aktion Feuerkinder hilft vor Ort ja nicht nur durch die Operationseinsätze. Was bieten Sie noch an?

Gerade bedingt durch Corona sind viele Menschen im Land auf Hilfe angewiesen. Wir verteilen Hygieneartikel, Lebensmittel und Kleidung an ehemalige Patienten, an Schüler in Usa River und teils auch an Mitarbeiter vor Ort. Es läuft so ab, dass ich angeschrieben oder angerufen werde, wenn es eine bestimmte Notsituation gibt. Und wenn es irgendwie möglich ist, konkret zu helfen, machen wir es.

Hierzulande ziehen die Preise für Energie und Lebensmittel durch den Krieg in der Ukraine massiv an. Ist das in Tansania auch zu spüren?

Und wie! In den zwei Wochen unseres Einsatzes sind die Benzin- und Dieselpreise um die Hälfte gestiegen. Auch die Kosten für Grundnahrungsmittel haben sich fast verdoppelt. Wir unterstützen 530 arme Personen in fünf Dekanaten nahe Nkoaranga und Usa River mit Lebensmitteln. Zum Glück ist Tansania nicht so akut auf Weizenimporte aus der Ukraine angewiesen, weil es hier Anbauflächen gibt. Anders sieht es zum Beispiel in Kenia und Somalia aus. Dort verhungern die Menschen. Ich bin froh, dass wir so viele Spenden hier aus meinem Wohnort Waldsassen und Umgebung bekommen. Es ist so wichtig, zu berichten, weil die Menschen durchaus bereit sind, etwas zu geben, wenn sie von der Situation vor Ort hören.

Immer wieder berichten Sie von teils dramatischen Ereignissen während der Einsätze – beispielsweise einem Kind, das von einem Auto angefahren und schwer verletzt wurde. Was geschähe in solchen Fällen, wenn Sie nicht gerade vor Ort wären?

Ich fürchte, dann würden diese Kinder wahrscheinlich sterben. In dem konkreten Fall war es ein Segen, dass ein Anästhesist von uns da war, der die Einheimischen unterstützt hat. Es ist wie ein Wunder, dass das Kind überlebt hat.

Welche neuen Ideen wollen Sie als nächstes umsetzen?

Das Gebäude, in dem jetzt die Geburtshilfe und die Gynäkologie untergebracht sind, ist baufällig. Die Patientinnen wurden schon auf die Kinderstation verlegt. Es gibt Pläne und Finanzierungsanfragen für einen Neubau. Im Sommer werden wir damit beginnen, das alte Gebäude abzureißen und ein neues Gebäude für die Gynäkologie und die Geburtshilfe zu bauen. Wichtig ist auch, dass wir die Ausbildung einer Krankenschwester finanzieren, die dann auf der neuen Station arbeiten wird. Für August ist ein weiterer Einsatz geplant. Es werden viele Kinder kommen, die wir dieses Mal nicht operieren konnten. Auch für diesen Einsatz benötigen wir dringend Spenden.

 

Spendenkonto

Evangelische Bank
IBAN: DE53 5206 0410 0103 5099 82
Stichwort: Aktion Feuerkinder

Von: Andrea Höfig-Wismath

Dr. Annemarie Schraml mit der kleinen Elisabetha, bei der eine Korrektur der O-Beine vorgenommen wurde. Dr. Annemarie Schraml mit Patientin Amina und deren Großmutter. Fotos: privat