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05. Oktober 2022

Mit dreifachem Wumms aus der Pflegekrise?

Dr. Katarina Barley fordert beim Rummelsberger Forum mehr Anstrengung bei der Gewinnung von internationalen Fachkräften

Nürnberg – Das Rummelsberger Forum beschäftigt sich mit den brennenden Fragen der Sozialwirtschaft. Und dass das Thema des Abends am 30. September im Marmorsaal des Presseclubs in Nürnberg brennt, ist sicherlich keine Übertreibung: „Internationale Fachkräfte – Chance und Herausforderung in Vielfalt“. Laut Handelsblatt benötigt Deutschland rund 400.000 Fachkräfte aus dem Ausland pro Jahr. Genau 3.200 kamen 2021 mit Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit ins Land. Insbesondere in der Pflege und den sozialen Berufen besteht ein ungeheurer Personalbedarf, der allein mit Arbeitskräften aus dem Inland nicht zu decken ist. Dr. Katarina Barley (SPD), Hauptrednerin beim Rummelsberger Forum, brachte in ihrem Impuls das Problem auf den Punkt: „Wir sind gefühlt immer noch kein Einwanderungsland.“

Klar sei, so die Vize-Präsidentin des Europäischen Parlaments, dass es den meisten Pflegefachkräften nicht primär um eine bessere Bezahlung gehe. Für viele sei die Arbeitsbelastung so enorm, dass sie ihren Beruf aufgeben. Zeitarbeitsfirmen würden Fachkräfte abwerben, um sie dann teurer wieder an die Einrichtungen zu vermitteln. Rechtlich könne man daran nichts ändern, da dieses Vorgehen ja nicht illegal sei. Im Gespräch mit Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, habe sie erfahren, dass betreffende Pflegekräfte nicht den höheren Lohn als Motivation nennen, sondern die größere Flexibilität der Arbeitszeiten. Barley schlug vor, mehr auf die individuellen Bedürfnisse beispielsweise von Pflegefachkräften in Teilzeit einzugehen, um diese dazu zu bewegen, ihre Wochenarbeitszeit zu erhöhen.

Abschiebung trotz Arbeitsvertrag

„Wir brauchen ein Arbeitskräfte-Gewinnungs-Gesetz“, forderte Barley, die auch ehrenamtliche Präsidentin des Arbeiter-Samariter-Bundes ist. Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis müssten in einem Verfahren zusammengefasst werden. Insbesondere die Bürokratie im Bereich des Ausländerrechts sei ein Problem. Verfahren dauerten zu lange. „Wir sind gefühlt immer noch kein Einwanderungsland.“ Speziell bei den Visabehörden und Ausländerämtern brauche man einen „anderen Spirit“. Sie selbst kenne Fälle, in denen Menschen mit einem unterschriebenen Arbeitsvertrag abgeschoben worden seien. „Das kann man niemandem mehr erklären“, so die Vize-Präsidentin des Europäischen Parlaments.

„Die Menschen fühlen sich hier nicht unbedingt gewollt“, sagte Barley. In Deutschland komme man ohne Deutschkenntnisse nicht weiter. Arbeitswillige aus dem Ausland müssten bereits im Heimatland Deutsch lernen – „und zwar in der Regel auf eigene Kosten“. In anderen europäischen Ländern reiche es, Englisch zu sprechen. Es gebe eine große Konkurrenz. „Wir müssen alles tun, um den Teufelskreis zu durchbrechen.“ Fachkräfte aus dem Ausland brauche man für alle, die heute bereits in der Pflege arbeiten, für die Menschen, die Hilfe brauchen und auch für die Gesellschaft. „Wenn wir 200 Milliarden Euro auf die Beine stellen können für den Doppel-Wumms, um unsere Wirtschaft am Laufen zu halten, dann müssten wir auch zusehen, dass wir das Geld für die Pflege haben.“

Von: Andrea Höfig-Wismath

Dr. Katarina Barley sprach beim Rummelsberger Forum über die Schwierigkeiten, mehr Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland zu holen. Foto: Andrea Höfig-Wismath