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27. September 2024

Rummelsberger Forum 2024: BarrierenVielfalt

Im Marmorsaals der Presseclubs Nürnberg diskutierten am Donnerstagabend Pfarrer Rüdiger Schuch, Präsident der Diakonie Deutschland und Ulrike Scharf, bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales mit Moderatorin Mirjam Kottmann vom Bayerischen Rundfunk zum Thema „BarrierenVielfalt“.

Nürnberg – Inklusion ist ein wichtiges Thema. Denn obgleich viele Bereiche des öffentlichen Lebens heute deutlich inklusiver sind als noch vor einigen Jahren, gestaltet sich das alltäglich Leben in Bayern und Deutschland für manche Menschen beschwerlicher als für andere. Mirjam Kottmann vom Bayerischen Rundfunk nannte hierzu gestern eindrucksvolle Zahlen: „7,9 Millionen Menschen in Deutschland haben eine schwere Behinderung und noch immer sind nur sieben Prozent aller Arztpraxen barrierefrei“, so die Moderatorin.

Wie steht es also tatsächlich um das Thema Barrierefreiheit in Bayern und Deutschland? Was brauchen die Menschen und was tut die Politik? Vor welchen Hürden stehen die sozialen Träger? Diese und andere Fragen diskutierten Pfarrer Rüdiger Schuch, Präsident der Diakonie Deutschland und Vorstandsvorsitzender des Evangelischen Werkes für Diakonie und Entwicklung, und Ulrike Scharf, bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales beim diesjährigen Rummelsberger Forum im Presseclub Nürnberg vor etwa 80 geladenen Gästen aus Wirtschaft und Politik.

„Wir wollen Barrieren auflösen“

Nach einem kurzen Impulsfilm begrüßte Dr. Tobias Gaydoul, Finanzvorstand der Rummelsberger Diakonie, die Podiums-, Saal- und Online-Gäste im Namen des gesamten Vorstandes. „Als sozialer Träger wollen wir aktiv dazu beitragen, Barrieren zu überwinden und aufzulösen. Doch das können wir nicht alleine. Dazu brauchen wir einen breiten Konsens in der Gesellschaft sowie den Willen und die Umsetzungskraft der Politik“, so Gaydoul. Eine lebendige Diakonie gelinge nur, wenn sich gesellschaftliches Engagement, ökologische Verantwortung und finanzielle Realitäten in Balance hielten. Die aktuelle Realität schaffe jedoch insbesondere bei der Nachhaltigkeit eine Schieflage zwischen staatlichen Förderzusagen einerseits und hohen Zinsen aufgrund der EU-Taxonomie zu Klimaneutralität andererseits. Das bedrohe zumindest die Zukunft kleinerer und mittlerer Träger der Sozialwirtschaft.

Rüdiger Schuch, Präsident der Diakonie Deutschland bestätigte dies in seiner Begrüßungsrede und betonte, dass das Thema Nachhaltigkeit dringend in die Sozialgesetzbücher aufzunehmen sei, um die Kosten der Nachhaltigkeit bei der Refinanzierung von Investitionskosten zu berücksichtigen.

Zuvor hatte Staatsministerin Scharf die Diakonie als treibende Kraft des Sozialstaates gelobt. „Von Ihnen geht eine Visionskraft aus. Bitte werden Sie nicht müde und machen Sie weiter.“ Den Aufruf von Dr. Gaydoul, alle Akteure, inklusive Banken, an einen Tisch zu holen befürwortete die Staatsministerin und erklärte sich zum Gespräch bereit.

Anschließen befragte Kottmann die beiden Diskussionsgäste zum geplanten Behindertengleichstellungsgesetz der Ampelkoalition und zum großen Mangel an barrierefreiem Wohnraum. Hier kam auch das Publikum ins Spiel: Via Smartphone konnten alle Zuhörer*innen Fragen an die Podiumsgäste einreichen.

Mangelware barrierefreier Wohnraum

Zum Thema barrierfrei Bauen wollten zahlreiche Zuhörer*innen wissen, weshalb es bei Neubauten nicht verpflichtend sei, mehr behindertengerechte Wohnungen zu bauen - auch größere, die für Familien mit Kindern geeignet seien. „Ich glaube das geht nur, wenn der Staat wirklich deutlich in die Finanzierung der Wohnungen und Häuser einsteigt,“ antwortete Schuch darauf und sah die Chancen für eine Linderung der Wohnungsnot eher in kreativen Lösungen, wie beispielsweise einer Tauschplattform von Wohnraum.

Die Publikumsfrage, ob es sinnvoll sei, zugunsten der Klimaneutralität Bau- und Ausstattungsstandards zu hinterfragen um Baukosten nicht in unbezahlbare Höhen zu treiben, beantwortete Scharf: „Nachhaltiges Bauen muss nicht teurer sein. Die großen Herausforderungen liegen hier eher im Bereich der Bestandsbauten.“ Schuch stimmte der Ministerin zu und riet zur Vorsicht bei Absenkung der Standards. 

Was bedeuten aktuelle Wahlergebnisse für Inklusion in Deutschland?

Einigkeit herrschte auch bei der letzten Publikumsfrage des Abends: „Was bedeuten die aktuellen Wahlergebnisse für die Inklusion in Deutschland?“ Hier zeigten sich die Podiumsgäste in großer Sorge, insbesondere, wenn Politiker*innen rechter Parteien davon sprächen, Inklusionsideologien beenden zu wollen. Sowohl Scharf als auch Schuch betonten, wie wichtig es sei, die aktuellen Wahlergebnisse ernst zu nehmen, die eine große Gefahr für die Demokratie in Deutschland darstellten. „Es gilt die freiheitliche Demokratie zu stärken, wir als Diakonie stehen mit unserer Arbeit als Brandmauer gegen menschenverachtende Ideologien und für ein barrierefreies Leben für Menschen die auf Unterstützung und Schutz angewiesen sind,“ so Schuch. Scharf ergänzte: „Wir dürfen Demokratie nicht mehr als selbstverständlich ansehen und müssen alles dafür tun, um sie zu stützen und zu fördern.“ Hier gelte es zusammenzustehen und den Angriffen auf Demokratie, Vielfalt und Freiheit gemeinsam entgegenzutreten.

Moderatorin Kottmann schloss den Forumsabend mit dem Zitat des Präsidenten des Paralympischen Komitees, Andrew Parsons, bei den paralympischen Spielen in Paris: „Ich hoffe auf eine Revolution der Inklusion.“

Von: Steffi Dörr