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28. Dezember 2020

Wie in anderen Familien auch

Ein Zuhause im Löhehaus in Altdorf

Jetzt, wo die Tage kurz sind, nutzen Rita Braun und Yvonne Altmann die freie Zeit wieder öfter für ihre Lieblingsbeschäftigung: das Kartenspielen. Wenn die beiden gemeinsam am Tisch sitzen, dann ist das ein sehr familiäres Bild. Doch Rita Braun ist Erzieherin im Wilhelm-Löhe-Haus in Altdorf und Yvonne Altmann ist nicht ihre Tochter, sondern wohnt in einer der heilpädagogischen Wohngruppen im Haus.

Das Löhehaus in Altdorf ist ein Ort mit viel Geschichte, aber auch ein Ort, der viele Geschichten schreibt. Der Name der Einrichtung geht auf Wilhelm Löhe, den Gründer des heutigen Diakoneo, zurück. Seine Idee vor rund 200 Jahren: Eine Einrichtung zur Rettung armer Kinder in Altdorf. Heute ist das Löhehaus eine Einrichtung mit vier heilpädagogischen Wohngruppen und einer teilzeitbetreuten Wohngruppe für 43 Kinder und Jugendliche im Alter von drei Jahren bis hin zum frühen Erwachsenenalter. „Wir begleiten Kinder von klein auf bis zur Selbstständigkeit. Das ist dann meist die erste eigene Wohnung oder die erste Arbeitsstelle. Wir bieten ihnen zudem einen familiären Kontext. Einige der Kinder wachsen schon von klein an hier auf“, so Karin Ballwieser, die seit acht Jahren die Leiterin des Löhehauses ist. „Kurz zusammengefasst kann man sagen, dass das Löhehaus ein Zuhause für all die Kinder ist, die hier leben“, so Karin Ballwieser weiter.

Die Gründe, warum ein Kind ins Löhehaus kommt, sind vielfältig. Jedes Kind bringt seine persönliche Geschichte mit. Das kann der Tod der Eltern sein, der das Löhehaus für ein Kind zum neuen Zuhause werden lässt oder schwere familiäre Probleme, wie zum Beispiel Suchtmittelmissbrauch der Eltern, häusliche Gewalt oder andere Ereignisse, die es nicht mehr möglich machen, dass Kinder in ihren Familien weiter aufwachsen können. „Wir versuchen in jedem Fall mit allen Beteiligten an einem Strang zu ziehen“, erklärt Karin Ballwieser. „Die Kinder und Jugendlichen können auch in ihre Ursprungsfamilien zurückkehren. Eine Rückführung, wenn möglich, ist immer das Ziel unserer pädagogischen Arbeit“, ergänzt sie. „Hinter unserer Arbeit steht ein großes Netzwerk an Hilfesystemen – Jugendamt, Vormünder, unsere Fachdienste und externe Therapien".

Das Löhehaus teilt sich in verschiedene Wohngruppen von den Kleinsten bis hin zu den Jugendlichen, die so weit wie möglich selbstständig miteinander leben. Die Betreuung richtet sich nach dem individuellen Bedarf, so wie es auch in einer Familie ist. So bekommen die Kleinen abends oft noch ein Buch vorgelesen, während die Jugendlichen meistens eher ein offenes Ohr für ihre Alltagssorgen suchen. „Das Schöne in unserer Einrichtung ist, dass Jungen und Mädchen zusammenleben können und auch Geschwisterkinder zusammen aufwachsen können. Wichtig für alle ist eine gemeinsame Tagesstruktur: Frühstück, Mittagessen, Hausaufgaben, Freizeit und gemeinsames Abendessen“, erzählt Karin Ballwieser weiter. „Wir sind sehr glücklich über die direkte Lage im Altdorfer Stadtkern. So ist es für die Kinder und Jugendlichen nicht schwierig, soziale Kontakte zu knüpfen oder Anschluss in einem Verein zu finden. Einige der Jugendlichen sind im örtlichen Fußballverein, aber auch Reiten oder Klettern sind sehr beliebte Hobbies.“ Das Löhehaus ist ein Teil von Altdorf, gehört zur Stadtgemeinschaft dazu. Die Einrichtung hat auch einige Unterstützerinnen und Unterstützer vor Ort, beispielsweise Jürgen Ammon von der gleichnamigen Firma für Sanitärtechnik. Er verzichtet jedes Jahr auf Weihnachtsgeschenke für seine Kunden und spendet stattdessen für die Kinder und Jugendlichen im Löhehaus. Dass das Löhehaus Teil der Ortsgemeinschaft in Altdorf ist, das macht es zu einem richtigen Zuhause für die Kinder.

Doch das Löhehaus ist nicht nur ein Zuhause für die Kinder und Jugendlichen, sondern auch für so manche pädagogische Fachkraft. So auch für Rita Braun, die bereits seit 27 Jahren im Löhehaus tätig ist. 1993 ist sie mit ihrem Mann aus Sachsen nach Nürnberg gezogen und hat nach der Ausbildung zur Erzieherin eine neue Arbeitsstelle gesucht. „Irgendwie ist das Löhehaus seitdem auch ein Stück Zuhause für mich geworden“, erzählt Rita Braun. Neben der Tagesstruktur, die um sechs Uhr mit dem Wecken der Jugendlichen beginnt, ist es der vielfältige und kreative Alltag in den Wohngruppen, den Rita Braun so sehr an ihrer Arbeit schätzt. Sie arbeitet in einer der Mädchenwohngruppen, in der sie gemeinsam mit ihren Kolleg*innen neun Mädchen betreut. Eines der Mädchen ist Yvonne Altmann.

Yvonne ist 16 Jahre alt und lebt seit sieben Jahren mit ihrem kleinen Bruder zusammen im Löhehaus. Sie beschreibt sich selbst als eine sehr kontaktfreudige Person und ist froh, so eine enge Bezugsperson wie Rita Braun an ihrer Seite zu haben. Neben den Einschränkungen der Corona-Pandemie, die ihr oftmals zu schaffen machen, war dieses Jahr für Yvonne kein leichtes Jahr, da sie Anfang des Jahres einen schweren Verlust erlitten hat. „Mir fällt es schwer, niemanden umarmen zu können, denn das geht mit den aktuellen Hygienevorschriften nicht. Ich vermisse es, von meinen Bezugspersonen einfach mal in den Arm genommen zu werden, wenn es mir nicht gut geht,“ sagt Yvonne mit Wehmut in der Stimme. Doch auch in solchen Situationen weiß Rita Braun Rat. „Wir sind da“, sagt sie zu Yvonne und erinnert sie daran, dass es heute Abend Sahnehering gibt.“ „Zuhause bei Mama gab es auch immer Sahnehering, das macht Rita jetzt und sie kann es fast so gut wie Mama früher“, erzählt Yvonne weiter und ergänzt: „Ich bin froh, hier zu sein. Das ist meine kleine Familie. Ich bin hier viel selbstständiger geworden.“ Yvonne Altmann lacht: „Es gibt natürlich auch Dinge, die nicht so toll sind. Oft ist es die Lautstärke beim Abendessen, oder wenn man am Wochenende einfach mal ausschlafen möchte. Doch ich glaube, das ist irgendwie auch normal, so wie in anderen Familien eben auch.“

Von: Lara März

Rita Braun und Yvonne Altmann verbringen so manchen Nachmittag beim gemeinsamen Kartenspiel. (Foto: Lara März)