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06. Oktober 2022

Pflege als Mangelverwaltung?

Rummelsberger Diakonie appelliert für Paradigmenwechsel in der Pflege

Nürnberg – Es gibt wirklich kaum ein Thema, das dem Menschen so nahekommt, wie das Thema Pflege, denn früher oder später betrifft es jede*n. Soziale Träger leisten einen hohen Beitrag in unserer Gesellschaft. Besonders im Bereich der institutionalisierten Altenpflege ist dieser Beitrag oft gigantisch und mit Pflegepersonal ausschließlich aus dem Inland nicht mehr aufrechtzuerhalten. Trotz der Brisanz, die in der Pflege vorherrscht, geht die Anwerbung ausländischer Fachkräfte nur zäh voran, so das Handelsblatt im Januar dieses Jahres. Auch die Rummelsberger Diakonie ist seit Jahren bestrebt, insbesondere Pflegefachkräfte aus dem Ausland zu werben und zu unterstützen in Deutschland Fuß zu fassen.

Das Rummelsberger Forum als Plattform für Fragestellungen der Sozialwirtschaft

Beim Rummelsberger Forum am 30. September im Marmorsaal in Nürnberg zeigte sich die Brisanz des Themas Arbeitskräftemangel in der Pflege. Auf dem Podium diskutierten Dr. Katarina Barley (SPD), Vizepräsidentin des Europaparlaments, Diakonin Heidrun Martini, Leiterin Personalentwicklung bei den Rummelsberger Diensten für Menschen im Alter, Mitarbeitervertreter Alexander von Hof und Karl Schulz, Vorstand Dienste bei der Rummelsberger Diakonie, über Herausforderungen und Chancen bei der Gewinnung von internationalen Fachkräften. Tassilo Forchheimer, Leiter des Studio Franken beim Bayerischen Rundfunk, moderierte die lebhafte Diskussion.

Jede Arbeitskraft ist ein Gewinn

Es braucht Entlastung für die Akteure in der Sozialwirtschaft und Weiterentwicklung von Konzepten und Rahmenbedingungen. „Pflege ist eine Finanzierungsfrage und uns gehen die Arbeitnehmer aus“, so Karl Schulz im Gespräch. Sah Schulz die Coronakrise noch als Chance, Reformen, die schon längst fällig sind, anzustoßen, so spricht er nun von einem Erkenntnisproblem. Der erhoffe Paradigmenwechsel durch die Coronakrise sei ausgeblieben. „Es ist fünf nach zwölf“, betonte der Vorstand in der gemeinsamen Runde am Abend. Ein Scheitern des Sozialbeitrags, den sozialer Träger leisten, wäre laut Karl Schulz das Worst Case Szenario. „Das will doch niemand“, so Schulz, „doch die Kosten für eine gelungene Zuwanderung dürfen nicht auf Trägerseite liegen“, ergänzte er. Kleine Lösungen reichen dem Vorstandsmitglied nicht aus, er appellierte an den politischen Willen und fordert eine große Strukturreform. Es sei noch nicht so, dass die Rummelsberger Diakonie aufgrund von Personalmangel Einrichtungen der Altenhilfe schließen müsse, doch viele Anfragen von Menschen mit Pflegebedarf müssten abgelehnt werden, weil nicht genügend Fach- und Hilfskräfte vorhanden seien.


Internationale Fachkräfte als Chance

Seit 2012 macht sich die Rummelsberger Diakonie mit verschiedenen Maßnahmen für eine zirkuläre Migration stark. „In den über zehn Jahren Erfahrung, hat sich gezeigt, dass die bürokratischen Hürden, die hinter einer gelungenen Zuwanderung stecken, Deutschland als Einwanderungsland jedoch oft unattraktiv machen: hohe Kosten, Sprachbarrieren und auch der Aufwand für die Träger ist mit eigenen Mitteln auf Dauer nicht umsetzbar. Wir brauchen Mustervorlagen für die Bearbeiter*innen, da die individuellen Prüfungen viel zu zeitaufwändig sind“, mahnte Diakonin Heidrun Martini. „Die unterschiedliche Anerkennungsverfahren in den Bundesländern gilt es zu vereinheitlichen“, forderte sie weiter. Martini sieht die Kostenfrage als einen zentralen Punkt, in welchem die sozialen Träger Unterstützung benötigen.

Empathie vor Sprache

„Ein sozialer Träger hat auch Grenzen und da sollte die Politik ins Spiel kommen“, so Alexander von Hof. Um diese Belastung in Zahlen zu fassen, zog von Hof den Vergleich zu Dänemark. Dort pflege eine Fachkraft zwischen fünf und sechs Menschen. In Deutschland kommen auf eine Fachkraft 13 Menschen. Warum keine Vertreter*innen der Arbeitnehmerschaft als Expert*innen mit in den Ausschüssen und Expertenrunden sitzen, warf von Hof an dieser Stelle als Idee in die Gesprächsrunde. Aus Sicht der Mitarbeitervertretung sei der Alltag in der Pflege unter diesen Bedingungen eine reine Mangelverwaltung und es brauche Entlastung. Die Pflege unter diesen Bedingungen gehe auf Kosten der Menschen die, die Pflege benötigen. Als Beispiel führt Alexander von Hof die Pflege am Lebensende eines Menschen auf: „Da braucht es kein großes Deutsch oder Englisch oder was auch immer. Es braucht einfach empathische Haltung.“
Dr. Katarina Barley stützt die Forderungen der Rummelsberger Diakonie und wirbt für gemeinsame Ideen und Werbung der gesamten EU. „Die EU muss ihre Kräfte bündeln“; so Barley. Die Vizepräsidentin fordert ebenfalls zur Verhältnismäßigkeit auf. Wenn 200 Milliarden Euro für den Doppel-Wumms vorhanden seien, um die Wirtschaft am Laufen zu halten, dann müsse auch zugesehen werden, dass das Geld für die Pflege vorhanden sei.

Von: Lara März