Menschen an Ihrer Seite.

Die Rummelsberger

Infos zum Standort
01. März 2018

Eine gehörige Erfolgsgeschichte

Sarah Reitlinger ist gehörlos und hat ihre Ausbildung an der Fachschule für Heilerziehungspflege in Ebenried gemacht

Ebenried/ Zell – „Es ist eine Erfolgsgeschichte“, sagt Andreas Schock. Dabei ballt er leicht die Faust und drückt sie an die Brust. Es ist das Wort für „Erfolg“ in Gebärdensprache. Der Dozent an der Fachschule für Heilerziehungspflege und Heilerziehungspflegehilfe der Rummelsberger Diakonie in Ebenried meint Sarah Reitlingers Geschichte. Die gehörlose junge Frau hat allen Steinen, die ihr im Weg lagen, zum Trotz ihre Ausbildung zur Heilerziehungspflegehelferin in Ebenried erfolgreich abgeschlossen. Heute arbeitet die reiselustige 22-Jährige in einer Wohngruppe für Menschen mit Behinderung bei Regens Wagner in Zell. „Es macht mich glücklich, dass ich den Menschen helfen kann“, sagt sie.

Die erste Fachschule, an der Sarah Reitlinger die Ausbildung zur Heilerziehungspflegehelferin machen wollte, sagte ihr ab. Mit Gebärdensprach-Dolmetschern im Unterricht? Das sei nicht möglich. Dass das nicht nur möglich, sondern für alle Beteiligten ungeheuer bereichernd und erfolgreich war, haben die 22-Jährige, das Team aus Dolmetschern und Dolmetscherinnen sowie Schülerinnen und Dozenten der Fachschule Ebenried gemeinsam bewiesen. Vergangenen Juli schloss Sarah Reitlinger ihre Ausbildung erfolgreich ab. „Eine Schule für Hörende war erst unvorstellbar für mich“, erzählt sie. Zum Gespräch ist sie gemeinsam mit einer Gebärdensprach-Dolmetscherin gekommen. Marion Rexin übersetzt in Windeseile, was die junge Frau mit ihren Händen, eigentlich mit dem ganzen Körper sagt.

Eine Kollegin empfahl Sarah Reitlinger, sich an der Fachschule in Ebenried zu bewerben. Dort hatten bereits zwei Schülerinnen mit einer Hörschädigung ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Doch erst einmal sah es so aus, als würde der Traum platzen: Ihr Antrag auf Kostenübernahme für die Bezahlung der Gebärdensprach-Dolmetscher wurde abgelehnt. Sarah Reitlinger legte Widerspruch ein und reichte bei einer weiteren Behörde einen Antrag ein. Durch die beiden parallel gestellten Anträge herrschte dann einige Verwirrung. „Ich wollte schon das Handtuch werfen“, erinnert sich die junge Frau. Aber sie hielt durch – und wurde belohnt. „Eine Woche vor Schulbeginn kam die schriftliche Zusage, dass die Kosten übernommen werden.“

Auch die Schule hat viel gelernt

Die Mitschülerinnen und Mitschüler in Ebenried nahmen sie freundlich auf. „Ich hatte eine tolle Klasse.“ Klar, sie habe den ersten Schritt gehen müssen, viel lief über die beiden Dolmetscher, die in der Schule immer dabei waren. Aber nach und nach lernten Mitschüler und Mitschülerinnen einige Gebärden. Auch Dozent Andreas Schock kann ein wenig Gebärdensprache. „Wir haben als Schule viel gelernt“, sagt er. „Natürlich bedeutete es Veränderungen, aber das haben wir gerne gemacht.“ Beispielsweise wurde in der Fachschule neben der akustischen Alarmanlage zusätzlich ein Lichtalarmsystem installiert. Die Stundenpläne erhielten die Dolmetscher vorab, um ihre Dienste planen zu können.

„Für die Lehrer war es sicherlich eine Herausforderung“, sagt Dolmetscherin Marion Rexin. Schließlich sei es eine Umstellung, wenn plötzlich im Klassenzimmer immer zwei Gebärdensprach-Dolmetscher vorne neben einem säßen, um zu übersetzen. „Die Bedingungen für uns Dolmetscher waren sehr gut“, versichert Rexin. Von den Dozenten über die Schulleitung bis zur Verwaltung hätten sich alle sehr bemüht. Der Berufsverband der Gebärdensprach-Dolmetscher hat die Fachschule Ebenried sogar als erste Schule mit der Auszeichnung „Gebärdensprachfreundliche Institution“ versehen.

Sarah Reitlinger ist zurecht stolz, dass sie die Ausbildung gemeistert hat. „Ich habe sehr viel zuhause geübt und wiederholt“, sagt sie. Auch mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern hat sie sich immer intensiv ausgetauscht. Die gaben ihr oft ihre Mitschriften aus dem Unterricht, denn Gebärden zu lesen und gleichzeitig zu schreiben ist unmöglich. Aber aufgeben passt nicht zu der jungen Frau. „Never give up“ hat sie auf dem Schlüsselbein tätowiert. Das gilt auch in der Arbeit, wo sie schwerbehinderte Erwachsene betreut, die alle gehörlos sind. Ein Bewohner habe nie gebärdet, die anderen Mitarbeitenden der Wohngruppe hatten es aufgegeben, ihm diese Kommunikationsmöglichkeit zu zeigen. Nur Sarah Reitlinger gab nicht auf, zeigte ihm immer wieder das Zeichen für „Ich mag essen“, bis er eines Tages selbst anfing, die entsprechende Gebärde zu machen. www.fachschule-hep.de/

Von: Andrea Wismath

So sieht Freude aus (v. li.): Dozent Andreas Schock, Heilerziehungspflegehelferin Sarah Reitlinger und Gebärdensprach-Dolmetscherin Marion Rexin zeigen, wie das Gefühl in Gebärdensprache ausgedrückt wird. Foto: Andrea Wismath