Menschen an Ihrer Seite.

Die Rummelsberger

Infos zum Standort
14. März 2018

„Mein Leben war knallhart“

Detlef Postler, ehemaliger Auszubildender des Berufsbildungswerks Rummelsberg, hat seine Lebensgeschichte aufgeschrieben, um anderen Mut zu machen. Am Tag der offenen Tür des Berufsbildungswerks am Samstag, 17. März, liest der 49-Jährige daraus vor.

Rummelsberg – Detlef Postler kam 1968 in einem kleinen Ort nahe Bamberg auf die Welt. Als Totgeburt. Zum Glück konnte er reanimiert werden. Mit zwölf Jahren erlebte er seinen ersten epileptischen Anfall, drei Jahre später erhielt er die Diagnose Hirntumor. Seit zehn Jahren ist der 49-Jährige anfallsfrei. Von seinem langen und immer wieder lebensgefährlichen Weg ins „freie Leben“, wie er es ausdrückt, berichtet Postler in seiner Biografie „Schwarz weiß – Tot geboren und doch überlebt“, die er 2017 veröffentlicht hat. Am Tag der offenen Tür des Berufsbildungswerks Rummelsberg (BBW) am Samstag, 17. März, liest er um 14 Uhr im Speisesaal des BBW daraus vor.

Herr Postler, mit nicht mal 50 Jahren haben Sie Ihre Biografie geschrieben. Warum?

Detlef Postler: Mit meinem Buch möchte ich zurückgeben, was ich von anderen Anfallskranken erhalten habe. Ihre Schilderungen waren für mich eine wertvolle Unterstützung bei der Suche nach Lösungen für mein Leben. Mein Leben war knallhart und geprägt von Einsamkeit, Unverständnis und Erniedrigungen. Trotzdem spürte ich immer den Drang, stark zu sein und zu beweisen, dass ich meine Krankheit auch alleine überwinden kann. Das ist mir gelungen und ich möchte mit meiner Geschichte jeden Kranken und auch die Angehörigen motivieren, nie den Mut zu verlieren.

Ihr Leben war geprägt von Krankheit und lebensgefährlichen Situationen. Was gab Ihnen immer wieder Mut, nicht aufzugeben?

Postler: Letztlich bin ich mein eigener Mutmacher. Ich hatte immer den Willen, anfallsfrei leben zu können. Das war mein größter Antrieb. Aber es gab natürlich auch immer Menschen, die mich auf die ein oder andere Weise gestützt haben: Mein Arzt Dr. Frank Kerlin, der mich jahrelang begleitete, mein Freund Michael, der die vergangenen 20 Jahre immer da war, aber auch die Pädagogen und Psychologen in Rummelsberg. Sie nahmen mich ernst und wichtig – das war für mich damals eine ganz neue Erfahrung und hat mich gelehrt, dass ich ein wertvoller Mensch bin.

Als Sie 1985 nach Rummelsberg kamen, hatten Sie Ihre erste Operation bereits hinter sich. Trotzdem sagen Sie, der Ausbildungsstart im Berufsbildungswerk brachte eine ganz neue Erkenntnis mit sich.

Postler: Ich war 17 Jahre alt und hatte bereits seit fünf Jahren heftige Anfälle. Von Epilepsie hatte ich aber noch nie gehört. Ich wusste um meinen Hirntumor und nahm Medikamente, mehr nicht. Aber bereits an meinem ersten Tag im Berufsbildungswerk fragte mich ein anderer Azubi, ob ich Epilepsie hätte. Auf mein Unwissen reagierte er überrascht, aber dann klärte er mich auf und ein pädagogischer Betreuer empfahl mir eine Epilepsiegruppe, die die Rummelsberger Diakonie für ihre Schüler und Auszubildenden anbot. Dort lernte ich meine Krankheit erst richtig kennen, wurde über Präventionsmöglichkeiten und Gefahren aufgeklärt.

Ihre Ausbildung zum technischen Zeichner im BBW brachen Sie trotzdem nach zweieinhalb Jahren ab. Warum?

Postler: Grund dafür waren die immer häufiger auftretenden Anfälle, die mich zur Entscheidung führten, mich noch mal operieren zu lassen. Eigentlich wollte ich die Ausbildung nur unterbrechen, ich kehrte jedoch nie zurück. Das bereue ich heute. So musste ich viele Jahre später eine Ausbildung in der freien Wirtschaft mühsam nachholen. Im BBW hätte ich das einfacher haben können. Aber meine Krankheit nahm damals allen Raum ein.

Insgesamt wurden Sie vier Mal am Gehirn operiert. Die letzte Operation fand 2008 auf Ihren eigenen Wunsch statt. Warum?

Postler: Die ersten Operationen hatten immer nur vorrübergehend Erfolg gebracht, die Anfälle kehrten nach wenigen Jahren zurück. Deshalb ließ ich mich ein viertes Mal operieren. Bei diesem Eingriff wurden auch drei Zentimeter meines Gehirns, genauer meines Hippocampus‘, entfernt. Seitdem hatte ich keine epileptischen Anfälle mehr.

Mit Ihrer Lesung am Tag der offenen Tür im BBW Rummelsberg möchten Sie anderen Mut machen, für ihr Ziele und Träume zu kämpfen und nicht aufzugeben. Was sind Ihre Träume für die Zukunft?

Postler: Mein Traum ist, dass das Buch als Hörbuch verfügbar ist, für alle, die nicht selbst lesen können oder eine Geschichte lieber hören, und dass es eines Tages verfilmt wird. Ich habe auch schon Kontakt zu einem Hörbuchverlag aufgenommen – mal sehen, was daraus wird. Und bis dahin lese ich selbst aus meinem Buch. Für alle, die es interessiert und die es selbst nicht lesen können.

Mit Detlef Postlers Lesung endet am Samstag der Tag der offenen Tür im Berufsbildungswerk Rummelsberg. Von 10 bis 15 Uhr können die Gäste den Auszubildenden in den Werkhallen über die Schulter schauen, an Führungen durch die Wohngruppen des Internats teilnehmen oder in der Berufsschule Lehrkräften Fragen stellen und an verschiedenen Workshops und Aktionen teilnehmen. Das BBW ist eine Einrichtung der beruflichen Ersteingliederung von jungen Menschen mit unterschiedlichen Unterstützungsbedarfen. Weitere Informationen zum Tag der offenen Tür und zum Berufsbildungswerk Rummelsberg unter www.rummelsberger-diakonie.de/bbw.

Buch:

Postler, Detlef: „Schwarz weiß – Tot geboren und doch überlebt“, Verlag Books on Demand (2017), ISBN 978-3744831246.

 

 

 

Von: Interview: Stefanie Dörr

Detlef Postler, ehemaliger Auszubildender, liest am Samstag, beim Tag der offenen Tür im Berufsbildungswerk Rummelsberg, aus seiner Biografie vor. Fotos: Stefanie Dörr