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25. November 2019

Zur Freiheit erziehen

Anfang Mai wurde der Neubau des Pägagogisch-Therapeutischen-Intensivbereichs PTI in   Rummelsberg eingeweiht. In der Einrichtung leben 31 stark verhaltensauffällige Jungen im Alter  zwischen elf und 15 Jahren. Die Kinder und Jugendlichen erhalten in der teilweise geschlossenen  Einrichtung eine engmaschige intensive Betreuung. Seit 2015 wird im PTI mit einem neuen   pädagogischen Konzept unter der Leitidee „Brücken bauen und eigene Mauern überwinden“   gearbeitet. In den geschlossenen und offenen Wohngruppen gibt es eine enge Verzahnung   von Intensivpädagogik, Schule und therapeutischer Arbeit, die Jungen besuchen in Begleitung   von Mitarbeitenden eine Schule in Rummelsberg und unternehmen Ausflüge. Außerdem werden  sie in verschiedenen Wohngruppen an ein selbstständiges Leben herangeführt.

Die stellvertretende Einrichtungsleiterin und leitende Psychologin des PTI, Jennifer Krappmann, freut sich im Interview auf den Umzug und wünscht, dass die geschlossene Unterbringung nicht nur als letzter Ausweg verstanden wird.

Frau Krappmann, Sie freuen sich auf den Umzug mit dem PTI, weil das pädagogische Konzept nun auch räumlich umgesetzt ist. Können Sie das näher erklären?

Jennifer Krappmann: Der Neubau ist letztlich die bauliche Umsetzung dafür, Geschlossenheit als einen ersten Schritt in Richtung Freiheit zu verstehen. Der Neubau ist optisch viel freier gestaltet als bisher, da der Außenbereich nur an einer Seite an die Einrichtung grenzt. Die Jugendlichen blicken künftig sowohl von ihren Zimmern, als auch vom Außenbereich aus auf Wald und freies Gelände. Hier, im Altbau von 1977, ist alles noch orientiert am Strafvollzug in Karree-Form gebaut. Der Neubau ist insgesamt viel großzügiger. Das Freigelände wird nach dem Umzug in etwa 7-fach größer sein als bisher. Da die Jungs zum Teil nicht freiwillig hier sind und sich in einer geschlossenen Unterbringung befinden, sind die Eingangstüren immer verschlossen. Mit dem deutlichen Zugewinn an Platz haben wir viel mehr Möglichkeiten, den Jugendlichen trotz der Geschlossenheit Freiräume zu bieten.

Wie sehen diese Freiräume aus?

Krappmann: Wir haben dort mehr Platz für Sport und Bewegung und können den Jugendlichen auch attraktivere Freizeit- und Beschäftigungsangebote machen. So wird es dort beispielsweise einen sogenannten „Pumptrack“ geben. Das ist eine speziell geschaffene Mountainbike-Strecke aus Erde oder Lehm, mit Wellen und anderen Parcour-Elemente wie zum Beispiel Steilwandkurven oder Sprüngen. Und eine eigene Werkstatt ist auch in Planung. Zu Freiräumen zählen aber auch die gemeinsamen Ausflüge, eine Stellenmehrung im neuen PTI macht es uns möglich, noch mehr Freizeitangebote zu machen. Nicht zu vergessen natürlich die Ausgänge, die ganz klar zu den Freiheiten gehören.

Wann bekommen die Jugendlichen Ausgang?
Krappmann: In den ersten vier bis sechs Wochen nach Aufnahme dürfen die geschlossen untergebrachten Jugendlichen das Haus alleine noch nicht verlassen – sie sollen erst einmal ankommen und Vertrauen zu den Mitarbeitenden aufbauen. Und genauso umgekehrt. Danach haben es die Jugendlichen letztlich selbst 
in der Hand. Es gibt Regeln für den Alltag, Aufgaben und Pflichten – wie in jedem Zusammenleben von Menschen innerhalb einer Gemeinschaft. Je besser die Jungen diesen Alltag bewältigen, Regeln akzeptieren und ihren Aufgaben nachkommen, umso mehr Freiheiten erhalten sie. Gehen sie damit zuverlässig um, können weitere Freiheiten hinzukommen bis sie in eine der offenen Wohngruppen des PTI ziehen können. Anschließend können sie nach Hause zurück oder in einer weiteren Maßnahme ihren Weg in die Freiheit fortsetzen. 

Zur Freiheit erziehen – wie oft gelingt das?

Krappmann: Die Erfolgschancen sind im PTI letztlich ähnlich wie in anderen Maßnahmen der Jugendhilfe, die sich den sogenannten „Systemsprengern“ widmen. Ein Drittel der Jugendlichen scheitert schon am Anfang. Ein Drittel durchläuft die Maßnahme und steht am Ende ähnlich da, wie zu Beginn und ein Drittel profitiert tatsächlich, nutzt das Angebot zum Weg in eine eigenverantwortliche, freie Zukunft. Früher waren es allerdings deutlich weniger Jungen, die schon während der Eingewöhnung abgebrochen haben. 

Welche Möglichkeiten sehen Sie, mehr Jugendliche zum Bleiben zu bewegen?

Krappmann: Die meisten Kinder und Jugendlichen, die bei uns landen, haben bereits sehr viele Jugendhilfemaßnahmen erfolglos durchlaufen. Die Frustration wächst mit jedem Scheitern, die Hoffnungen auf einen Erfolg sinken. Um aber das Angebot des PTI wirklich nutzen zu können, müssen die Jungs mithelfen. Sie müssen bereit sein, ihren Teil zum Gelingen beizutragen, dazu brauchen sie Vertrauen in sich, aber auch in uns und unsere Arbeit. Ich würde mir wünschen, dass das Angebot der PTI nicht immer nur als letzter Ausweg wahrgenommen wird, sondern auch schon früher für Kinder und Jugendliche in Betracht gezogen wird, die von unserem pädagogischen Konzept profitieren könnten. Dann lägen die Erfolgschancen für die Jungs sicher höher. Das wäre auch für die Gesellschaft ein Zugewinn. Sowohl gesellschaftlich und sozial als auch finanziell.

Foto/Interview: Stefanie Dörr