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11. November 2022

Erzieher*in ultralight ist Irrweg

Kinder brauchen Fachkräfte und keine „Verwahrung“

Nürnberg – Die neuen Vorschläge des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales zur „Verwahrung“ von Kindern stoßen bei den Fachleuten der Rummelsberger Diakonie auf Widerstand. Stephanie Bäsmann, Schulleiterin der Fachakademie für Sozialwesen in Nürnberg, sagt dazu: „Diese Maßnahmen des Sozialministeriums werten den Beruf und die Ausbildung zum/ zur Erzieher*in ab.“ Das Ministerium will Einstiegsgruppen in der Kinderbetreuung einsetzen, in denen eine Kindertagespflegeperson mit einer 400-stündigen zertifizierten Qualifikation als Ergänzungskraft in der KiTa eingesetzt werden kann. Die Staatsregierung will damit Kindern den Weg in eine reguläre Kita ebnen. Die Einstiegsgruppen sind ein neuer, rechtsanspruchserfüllender Modellversuch, bei dem von den üblichen Fördervoraussetzungen abgewichen wird. Zu Vergleich: Die Erzieher*innen-Ausbildung umfasst mindestens 2.880 Stunden.

Bäsmann sieht in dieser Maßnahme einen Hinweis darauf, dass vorschulische Bildung – ein wichtiger Auftrag von Kindertagesstätten – offensichtlich keinen Stellenwert mehr hat. „Ein bisschen spielen, Freizeit gestalten und bei älteren Kindern die Hausaufgaben begleiten ist eben nicht alles, was Kinder brauchen,“ erklärt die Schulleiterin. Erzieher*innen lernen in ihrer drei- beziehungsweise vierjährigen Ausbildung in Theorie und Praxis die Förderung und individuelle Begleitung von Kindern bis ins Jugendalter.

Auch der Studierende Elia Tautorat, Mitglied der Schülervertretung, sieht die Pläne des Sozialministeriums kritisch: „Es stellt sich die Frage, wieso unsere Ausbildung bisher drei beziehungsweise vier Jahre lang war, wenn der Job anscheinend auch komplett ohne pädagogische Ausbildung geleistet werden kann. Des Weiteren frage ich mich, was wollen wir für die zukünftige Generation? Nicht ausgebildetes Personal anzustellen, um den Fachkräftemangel auszugleichen, ist unverschämt und entwürdigend. Nicht nur dem Fachpersonal, sondern besonders den Kindern gegenüber. Reicht es uns wirklich, dass sie lediglich beaufsichtigt werden oder sind sie es uns wert, bestmöglich gefördert zu werden?“

Nebenjobs zusätzlich zu Schule und Praxis

Darüber hinaus sieht Bäsmann noch eine weitere Schwierigkeit. Für sie ist es kaum vermittelbar, dass Auszubildende zum/ zur Erzieher*in neben Schule und Praxis Nebenjobs nachgehen müssen, um über die Runden zu kommen. Erst nach der zweijährigen Schulphase erhalten sie im Berufspraktikum ein Entgelt. Während der zweijährigen Schulzeit werden sehr breitgefächert pädagogische, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen unterstützende Inhalte vermittelt. Darüber hinaus zielen die Lehrpläne auch auf die Persönlichkeitsentwicklung mit der dadurch einhergehenden Festigung der seelischen Kraft und Widerstandsfähigkeit für die werdenden Erzieher*innen ab.

Die Herausforderungen in dem Beruf sind vielfältig: Es geht um die Beachtung der Biografien der Kinder, Jugendlichen und ihrer Herkunftsfamilien. „Die Gesellschaft braucht gut ausgebildete Menschen an der Seite von Kindern, Jugendlichen und deren Eltern oder Bezugspersonen“, beschreibt Bäsmann ihre Überzeugung. Mit einer Herabsetzung der Fachkraftquote und „Kursen“ für Quereinsteiger*innen wird der Fachkräftemangel nicht behoben. Bäsmann sieht eher die Gefahr, dass gut ausgebildete Erzieher*innen frustriert den Beruf verlassen und dann noch weniger Fachkräfte zur Verfügung stehen.

Von: Diakon Georg Borngässer

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