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25. Mai 2021

Corona-Musiken – eine Bilanz

24 Sonn- und Feiertage haben freiberufliche Musiker*innen die Gottesdienste in der Philippuskirche in Rummelsberg musikalisch gestaltet

Schwarzenbruck – Während der Corona-Pandemie findet im ganzen Land keine Live-Musik mehr statt. Im ganzen Land? Nein, denn eine kleine Kirchengemeinde trotzt der Stille und macht ihre Gottesdienste zum Klangraum. Fast ein halbes Jahr lang wurde die Philippuskirche in Rummelsberg zu einer Insel der Live-Musik im Nürnberger Land. An diesem Sonntag enden die Rummelsberger „Corona-Musiken“. Nun ziehen die Verantwortlichen Bilanz.

Am Anfang stand ein diakonischer Gedanke. Zu Beginn des zweiten Lockdowns im November mussten Theater und Konzerträume schließen; in den Kirchen aber durfte weiter Gottesdienst gefeiert werden. „Wir hatten auf einmal die nie dagewesene Situation, dass Live-Musik nur noch im gottesdienstlichen Rahmen erlaubt war,“ erinnert sich Thomas Greif, Kirchenmusiker an der Philippuskirche. Man habe seinerzeit durchaus erste Stimmen einer Neiddebatte vernehmen können: Warum dürfen die Kirchen, was allen anderen verwehrt bleibt?

Der Kirchenvorstand beschloss ein offensives Zeichen der Solidarität mit freiberuflichen Musikerinnen und Musikern zu setzen, die zum Teil seit Jahren mit der Kirchengemeinde zusammenarbeiten und nun auf dem Trockenen saßen. Man stellte einen Fonds bereit, um jeden Sonntag einen anderen musikalischen Gast zur Gestaltung der Gottesdienste einzuladen. Erst als das Programm schon stand, kam heraus, dass Gemeindegesang künftig verboten sein würde – so ergab sich eine echte win-win-Situation. An 24 Sonn- und Feiertagen zwischen Januar und Mai waren in der Philippuskirche Harfen-, Akkordeon-, Horn- oder Gitarrenklänge, Orgelmusik oder Sologesang zu hören. Gut 3.000 Euro ließ sich die Gemeinde das kosten, zusätzlich zu den ohnehin bestehenden musikalischen Angeboten, was bei nur rund 500 Gemeindegliedern kein Pappenstiel ist.

Natürlich blieben die Gottesdienste trotzdem streng pandemisch reglementiert – Abstand, Masken, Desinfektion. Doch die Musik schuf in der Einengung der Liturgie durch die Pandemie ungeahnte Räume: „Sie hat andere Sinne angesprochen, die Seele und den eigenen Glauben geweitet,“ sagt Pfarrerin Gabi Gerndt: „Eine besondere, intensive Erfahrung.“ Diese Empfindung teilten wöchentlich zwischen 40 und 60 Menschen aus der ganzen Region – für eine kleine Kirchengemeinde eine fast sensationell stabile Besuchsquote.

„Für viele Gottesdienstbesucher war es ein bedrückendes Erlebnis, während des Gottesdienstes nicht mitsingen zu dürfen,“ hat Anita Mrotzek festgestellt, Vertrauensfrau des Kirchenvorstandes. Durch die besondere Art der musikalischen Gestaltung habe man “einfach nur genießen“ können und sei gar nicht in Versuchung geraten, mitzusingen.

Unversehens ergaben sich auch künstlerisch neue Pfade. Der Pyrbaumer Bandoneonmeister Norbert Gabla traf mit wehmütigen Tango-Harmonien die Karfreitags-Stimmung. Mitten in der April-Depression der Pandemie war der Jazz-Standard „Spring Can Really Hang You Up the Most“ („Der Frühling kann dich wirklich am meisten runterziehen!“) des Nürnberger Saxophonisten Stephan Schlieker besser geeignet als jeder Choral. Und der Liedermacher-Pfarrer Wolfgang Buck nutzte sein Gastspiel gleich zu einer wunderbar geerdeten Fastenpredigt.

Die größten Glücksmomente jedoch erlebten die beteiligten Musikerinnen und Musiker selbst. „Mein erster öffentlicher Auftritt seit einem dreiviertel Jahr“, konstatierte die Nürnberger Geigerin Irina Schulika, die mit dem Thema aus dem Film „Schindlers Liste“ ihre Zuhörer verzauberte. Musizieren ist für Künstler nicht nur Lebensunterhalt, sondern auch Lebensinhalt. „Eine wunderbare Möglichkeit, endlich wieder zu spielen,“ freute sich auch der Heilsbronner Hornist Charly Hopp, der die Reihe im Januar eröffnet hatte. Weil auch der Bayerische Rundfunk und überregionale Medien über die Reihe berichteten, kamen in Rummelsberg etliche Anfragen von Musikerinnen und Musikern aus ganz Nordbayern an, die gerne noch teilgenommen hätten.

Den Schlußpunkt der „Corona“-Musiken setzt am Sonntag, 30. Mai, der Schlagzeuger Daniel Piccon, der gemeinsam mit Organist Thomas Greif Jazz-Bearbeitungen über Kirchenlieder musiziert. Kreative musikalische Angebote wird es in der Philippuskirche auch künftig geben – versprochen.

Von: Dr. Thomas Greif

Zwischen 40 und 60 Gottesdienstgäste zählte die Philippuskirche im vergangenen Halbjahr pro Gottesdienst. (Foto: Greif) Charly Hopp hatte im Januar die Reihe eröffnet. (Foto: Greif)