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19. Juni 2019

„Wir bieten nicht nur Arbeit, sondern ein Umfeld, um Talente zu entdecken“

Friedrich Weickmann leitete 38 Jahre lang die Talentschmiede Altmühltal. Nun geht er in den Ruhestand.

Pappenheim – Friedrich Weickmann hat 38 Jahre lang die Talentschmiede Altmühltal geleitet, wie die Werkstatt der Rummelsberger Diakonie inzwischen heißt. Zunächst arbeitete er in Pappenheim, später in Treuchtlingen. Nun geht der 65-Jährige in den Ruhestand. Seinen Abschied feiert er beim Sommerfest im Haus Altmühltal am 30. Juni. Im Interview blickt er auf seine Zeit und die Entwicklung der Werkstatt zurück.

Herr Weickmann, bevor Sie 1981 bei der Rummelsberger Diakonie begannen, haben Sie 13 Jahre in der Industrie gearbeitet und Wasserturbinen und Wasserkraftwerke konstruiert. Wie kam es zum Wechsel in den sozialen Bereich?

Friedrich Weickmann: Ich habe damals lange überlegt, ob ich es mache. Ich habe mich dann dafür entschieden, weil ich die Möglichkeit hatte, etwas aufzubauen. Die erste Zeit war für mich brutal, weil es eine andere Welt war. Ich kam aus dem technischen Bereich, in dem ich gut war und wusste, wo meine Stärken liegen. Und dann kam ich in einen Bereich, der nicht so strukturiert war. Ich musste anders denken. Nicht von einem Produkt her, sondern von den Menschen. Ich habe immer viel Unterstützung von der Rummelsberger Diakonie bekommen. Mir wurde ermöglicht, mich weiterzubilden und zu qualifizieren.

Die Rummelsberger Diakonie hat 1980 die ehemalige Lungenheilstätte in Pappenheim übernommen. Daraus entstand das Haus Altmühltal, ein Wohnheim für Menschen mit geistiger Behinderung. Wie sah die Arbeitsstruktur für die Bewohnerinnen und Bewohner damals aus?

Eine Werkstatt gab es zu Beginn noch nicht. In der Tagesstruktur haben die Bewohnerinnen und Bewohner einfache Montagetätigkeiten erledigt. Da der Umbau des Hauses im laufenden Betrieb stattfand, mussten wir immer wieder von einem Raum in den nächsten ziehen. Schließlich wurde auf dem Gelände eine provisorische Werkstatt errichtet, in die wir 1982 einziehen konnten. Insgesamt hat sich die Behindertenhilfe seit damals stark verändert. Es gab neue Gesetze und fachliche Konzepte wurden entwickelt. Der Mensch wurde zunehmend mehr in den Mittelpunkt gestellt. Wir gehen auf die Wünsche der Menschen ein und schauen, wo ihre Interessen und Fähigkeiten liegen.

Wie hat sich die Werkstatt im Laufe der Jahre entwickelt?

Ein großer Schritt war der Einstieg in die Automobilindustrie Mitte der 1980er-Jahre. Ich suchte damals nach Arbeiten, die einfach zu strukturieren sind, aber dennoch herausfordernd. Die Automobilindustrie stellte hohe Anforderungen und verlangte eine hohe Qualität, aber die Bezahlung war auch sehr gut. Mit der Wirtschaftskrise 2008 sind uns jedoch 60 bis 70 Prozent der Aufträge und fast der komplette Umsatz weggebrochen.

Wie haben Sie reagiert?

Wir haben unsere Schwerpunkte in der Werkstatt auf Dienstleistungen und Eigenprodukte gelegt. Die Mitarbeitenden stellen zum Beispiel Nistkästen und Beutekästen für die Imkerei aus Holz her, aber auch Metallbauteile, wie Befestigungen für Solaranlagen. Außerdem haben wir die Wäscherei übernommen. Diese war zuvor im Haus Altmühltal angesiedelt. Wir waschen hier die Kleidung der Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses Altmühltal und haben uns zusätzlich Nischen gesucht, zum Beispiel das Waschen von Feuerwehrkleidung. Aktuell übernimmt die Wäscherei immer mehr Aufträge aus dem medizinischen Bereich. Wir entwickeln uns ständig weiter und lassen uns entsprechend zertifizieren.

Ein großer Schritt war der Umzug der Werkstatt 2016 von Pappenheim nach Treuchtlingen. Wie kam es dazu?

Die Werkstatt in Pappenheim war nicht mehr zeitgemäß und entsprach nicht mehr den gesetzlichen Vorgaben. 2008 haben wir mit den Planungen für einen Ersatzneubau begonnen. In Pappenheim gab es kein passendes Grundstück. Der Standort hier in Treuchtlingen gibt uns die Möglichkeit, uns weiterzuentwickeln. Und die Stadt hat uns sehr positiv angenommen. Wir haben hier nun 80 Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung in den Bereichen Schreinerei, Wäscherei, Näherei, Änderungsschneiderei, Montage und Verpackung sowie einen Laden zum Verkauf der Eigenprodukte.

Die Werkstätten der Rummelsberger Diakonie haben sich vor Kurzem in Talentschmiede umbenannt. Was steckt dahinter?

Wir bieten den Menschen hier nicht nur Arbeit, sondern auch ein Umfeld, in dem sie ihre Fähigkeiten und Talente entdecken können. Ich habe hier bei vielen Mitarbeitenden erlebt, dass sie eine super Entwicklung gemacht haben. Sie finden hier Menschen, die ihnen etwas zutrauen und auf die sie sich verlassen können. Wir begleiten und unterstützen sie dabei und zeigen auch, welche Möglichkeiten es für jeden einzelnen gibt.

 

Zur Person:

Friedrich Weickmann (65) arbeitete seit dem 1. Juli 1981 bei der Rummelsberger Diakonie, zunächst in Pappenheim. Dort war er für alles rund um das Thema Arbeit verantwortlich. 1982 entstand eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung, 1998 baute Weickmann eine Förderstätte auf, 2003 kam eine Seniorentagesstätte hinzu. Weickmann verantwortete den Umzug der Werkstatt 2016 nach Treuchtlingen. Der 65-Jährige stellte die Werkstatt auf zukunftsfähige Beine und richtete sie immer wieder neu aus, zuletzt mit den Schwerpunkten Dienstleistungen und der Herstellung von Eigenprodukten. 2013 schloss Weickmann eine Kooperation mit dem Verein „EinDollarBrille“, der weltweit Menschen mit günstigen Brillen versorgt. Die Werkstatt lagert die Materialien für die Herstellung der Brillen und kümmert sich um den weltweiten Versand. Für Weickmann war die Integration von Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft immer ein Anliegen. Er stieß die Gründung von capito Nordbayern, dem Kompetenz-Zentrum für Barrierefreiheit der Rummelsberger Diakonie, an. Gemeinsam mit der Stadt Treuchtlingen entwickelte er zudem das Siegel „Treuchtlingen barrierefrei“.

Von: Claudia Kestler

Friedrich Weickmann (hinten) leitete 38 Jahre die Talentschmiede Altmühltal. Dort arbeiten die Mitarbeitenden unter anderem im Bereich Verpackung. Foto: Claudia Kestler