KI im Klassenzimmer

Lernende geben Fragen ein, die Künstliche Intelligenz antwortet. Das verändert das Lehren und Lernen grundlegend. Ist KI der Schlüssel zu einer zukunftsfähigen Bildung? Ein Gespräch mit Diakonin Tina Dehm, Projektmitarbeiterin im Bereich Bildung und ein Blick hinter die Kulissen einer grundsätzlichen Entscheidung.

Hat KI bereits einen Einfluss auf den Schulalltag?

Diakonin Tina Dehm: „ChatGPT war natürlich der große Treiber. Im Sommer 2022 ist die Anwendung an den Start gegangen. Wir reden zwar immer von künstlicher Intelligenz, aber im größten Teil geht es um Large-Language-Models. Man kann eine Frage stellen oder eine Aufgabe geben und das Programm schreibt einen kompletten Text. Der klingt auch erst mal super - natürlich nutzen unsere Lernenden diese Möglichkeit.“

Gerade für Hausaufgaben klingt das nach einer schnellen Lösung.

Dehm: „Ich glaube es ist bei uns besonders, weil wir erwachsene Lernende haben, die sich täglich im digitalen Raum bewegen. An Grundschulen ist das wahrscheinlich noch kein großes Thema. Alle unsere Schulen haben gemerkt, dass KI zum Einsatz kommt. Es war klar, wir müssen uns damit auseinandersetzen welche Auswirkungen das für unsere Schulen, ja sogar unsere Demokratie und auf unser Zusammenleben hat. Wir wollen, dass unsere Lernenden mit Informationen umgehen und solche Tools bedienen können. Aber auch verantwortungsbewusst damit arbeiten.“

Also kein Verbot für ChatGPT?

Dehm: „Nein. Der Rummelsberger Diakonie war klar, das klappt nicht. Die Lernenden wissen, dieses Tool gibt es und sie nutzen es. Die Fachakademie in Rummelsberg war Vorreiter. Die Kolleg*innen dort sind digital sehr fit und haben schon im Oktober 2023 erste Richtlinien für den Umgang mit Large Language Models verfasst. Anders wären wir in einer Grauzone gelandet. Darf ich ChatGPT verwenden oder nicht? Was ist, wenn ich etwas abgebe, das mit Hilfe von KI entstanden ist, aber es nicht kennzeichne?“

Und die Schule müsste Methoden entwickeln, um Texte, die mit ChatGPT entstanden sind, zu erkennen.

Dehm: „Da wären wir schnell in einem Katz-und-Maus-Spiel. Außerdem sind wir evangelisch geprägt. Wir bauen darauf, dass unsere Lernenden diese Ausbildung machen, weil sie eine gute Fach- oder Hilfskraft werden wollen. Wenn sie KI verwenden, dann wollen wir nicht unterstellen, sie nutzen das Hilfsmittel aus Bequemlichkeit? Sie sollen moderne Medien oder Techniken kennen und wir trauen ihnen zu, dass sie diese Tools sinnvoll und zielführend einsetzen wollen - und können.“

Die Strategie der Rummelsberger ist also eher die Ermächtigung der Lerneden.

Dehm: „Es gibt natürlich auch Gefahren. Large-Language-Models sind keine „richtige“ Intelligenz. Sie spielen nur die wahrscheinlichste Antwort aus - basierend auf den Daten, mit denen sie trainiert wurden. Aktualität ist bei den meisten Modellen nicht gegeben. Und die Antworten sind nicht immer verlässlich. Das müssen die Lernenden erkennen lernen.“

Damit die Lernenden solche Technologien bedienen können, braucht es Anleitung.
Dehm: „Genau. Wir haben uns dazu drei Punkte genauer angesehen. Als Träger haben wir deshalb Richtlinien für alle unsere Schulen verfasst, die seit dem Schuljahr 2024/2025 gelten. Darin steht, dass die Verwendung der KI erlaubt ist und auch, wie genau die KI-Texte zitiert und gekennzeichnet werden müssen. Damit haben wir die KI in die Legalität gehoben. Das war der erste wichtige Punkt. Der zweite Punkt, den wir betrachten müssen, ist der gesellschaftliche Diskurs, die US-Wahlen waren ein Beispiel dafür. Vielleicht jetzt aktueller: die anstehenden Neuwahlen in Deutschland Es geht um Fake-Videos und Bilder. Was wurde mit KI erstellt und was hat das für einen Einfluss auf Gesellschaft und Politik? Und was heißt das für mich persönlich?“

Und der dritte Punkt?

Dehm: „Der dritte Punkt ist, unsere Schulen arbeiten nach dem Konzept des Selbstverantwortlichen Lernens. Das passt wunderbar zusammen. Wir wollen nicht, dass Lernende etwas auswendig lernen, was sie nach zwei Wochen wieder vergessen. Die Reproduktion von Wissen ist in Zeiten des Internets nicht mehr so gewichtig. Die Lernenden sollen sich selber mit Themen beschäftigen. Sie sollen eigene Fragen stellen und eine Haltung entwickeln. Das müssen die Fachkräfte von morgen können.“

Durch KI und vor allem ChatGPT gibt es neue Möglichkeiten den Unterricht zu gestalten. Was nutzen unsere Lehrkräfte?

Dehm: „Das ist unterschiedlich. Uns war erst mal wichtig, dass alle Lernenden und Lehrenden einen kostenfreien Zugang zu KI bekommen. Unsere Rummelsberger IT hat das französische LLM „Mistral“ mit einer Schnittstelle in unser Portal meineAusbildung angebunden. Als erstes durften die Mitarbeitenden damit arbeiten – auch um Berührungsängste auszuradieren. Wir haben eine Grundlagenschulung entwickelt, die jede*r Kolleg*in absolvieren muss. Wir haben Lehrkräfte, die super fit sind, wir haben aber natürlich auch Kolleg*innen, die erst anfangen sich damit auseinanderzusetzen. In drei online Austauschterminen konnten sich alle Lehrkräfte zeigen lassen, was die neuen Richtlinien für den Unterricht bedeuten. Aktuell bieten wir monatlich einen Austausch zu verschiedenen KI-Themen an, bei denen wir auch verschiedene KI-Tools vorstellen. Themen sind dabei Prompten, die Veränderungen der Gelingensnachweise, Leichte Sprache und Tools wie Notebook LM und slides go.“

Das klingt nach einem sinnvollen Konzept, insbesondere um alle auf einen Stand zu bringen.

Dehm: „Ich denke, es ist für alle ein Lernprozess. Es ist auch wichtig zu betonen, dass die Kompetenzen der Lehrkräfte weiterhin gefragt sind. Large Language Models können mir einen super Unterrichtsentwurf vorschlagen. Das System spuckt wunderschöne Konzepte aus. Trotzdem muss sich die Lehrkraft mit dem Thema auskennen, um beurteilen zu können, ist das so korrekt? KI ist eine tolle Ergänzung, aber unsere Lehrkräfte werden weiterhin dringend benötigt.“

Vielen Dank für das nette Gespräch, Frau Dehm!

  • iPad mit KI Anwendung
  • Tina Dehm