Politik zum Anfassen: Bürgermeister und Landrats-Kandidat als Praktikanten im Steigenberger Hof

12. November 2025

Penzberg – Für einen Nachmittag tauschten zwei Politiker aus dem Landkreis Weilheim-Schongau ihre Ämter gegen Kasack und Servierwagen: Bürgermeister Stefan Korpan und Landrats-Kandidat Johann Bertl schnupperten im Steigenberger Hof Penzberg in den Arbeitsalltag der Pflege – und gewannen dabei nicht nur Einblicke, sondern auch neue Perspektiven.

Was auf den ersten Blick wie ein ungewöhnliches Experiment klingt, war eine spontane Initiative der Rummelsberger Diakonie in Kooperation mit den Lokalpolitikern, um den Dialog zwischen Politik und Sozialwirtschaft zu stärken. „Wir freuen uns immer, wenn Entscheidungsträger*innen den Alltag in unseren Einrichtungen hautnah erleben“, betont Sibylle Spindler, Regionalleiterin Süd der Rummelsberger Diakonie und Leiterin des Steigenberger Hofs. 

Politik trifft Pflegepraxis

Für die beiden Tages-Praktikanten ging es direkt ans Werk: Nachdem sie sich den Brombeer-farbenen Kasack übergeworfen und eine kurze Führung durch die Einrichtung erhalten hatten, galt es die Bewohner*innen aus den Zimmern abzuholen und in den Speisesaal zu begleiten. Die Aussicht auf einen Kaffee mit dem Bürgermeister, sorgte für regen Andrang. 62 Senior*innen sind stationär im Steigenberger Hof untergebracht. Hinzu kommen 18 Plätze im geschützten Bereich für Menschen mit Demenz sowie die Bewohner*innen der 18 Apartments aus dem betreuten Wohnen. Letztere leben eigenständig, können sich aber zum Beispiel den Wäscheservice oder die Mahlzeiten aus dem Steigenberger Hof in Anspruch nehmen.

„Das Lebensende erinnert stark an den Beginn des Lebens“, sagt Johann Bertl. Allein das Abholen der Bewohner*innen benötigt Koordination, Geduld und Teamwork. „Bissl zu langsam sind die Herren, aber das ist ja ihr erster Tag“, sagt eine Bewohnerin und lächelt.

Fachkräftemangel und Ausbildungswege: Drängende Themen im Dialog

Zwischen Kaffeetassen und Gesprächen mit den Senior*innen nutzten die Politiker die Gelegenheit, um mit Sibylle Spindler über die dringlichsten Themen der Branche zu sprechen: den Fachkräftemangel und die Attraktivität von Pflegeberufen. „Wir bilden hier im Haus an der angeschlossenen Pflegefachschule selbst aus“, erklärt Spindler. „Aber wir brauchen mehr Unterstützung – zum Beispiel durch die Bereitstellung von günstigem Wohnraum für unsere Auszubildenden.“

Um die offenen Stellen besetzen zu können, wirbt die Rummelsberger Diakonie vermehrt Fachkräfte und Auszubildende aus dem Ausland an. Vier junge Talente aus Indien haben so den Weg ins bayerische Penzberg gefunden und unterstützen seit September 2025 das Team tatkräftig. „Das ist nur möglich, wenn wir den Menschen auch einen Ort zum Leben anbieten können“, sagt Spindler. Bürgermeister Stefan Korpan: „Wir als Stadt unterstützen die Diakonie gerne mit der bevorzugten Bereitstellung von Wohnraum -  das dies mir ein besonderes Anliegen.“

Begeisterte Bewohner*innen und ein Appell an die Politik

Die Senior*innen des Steigenberger Hofs zeigten sich begeistert von den prominenten Praktikanten. „Das ist wie ein Staatsbesuch!“, strahlte eine Bewohnerin. Für andere war es eine willkommene Abwechslung im Alltag.

Der Nachmittag im Steigenberger Hof stellte mehr als einen symbolischen Akt dar. Er zeigte, wie wichtig Erfahrungen vor Ort sind, um politische Entscheidungen mit Leben zu füllen. Denn eines wurde an diesem Tag klar: Pflege ist kein Thema für Sonntagsreden, sondern für tägliches Handeln.

  • Praktikanten für einen Nachmittag: Bürgermeister Stefan Korpan (links) und Landrats-Kandidat Johann Bertl (rechts) bei Dienstantritt im Steigenberger Hof. Wohnbereichsleiterin Etelka Moreh und Regionalleiterin Sibylle Spindler begleiten die Politiker beim „Praktikum“.
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    Lisa Vogel
  • Kuchen ausgeben statt Gemeinderatssitzung: Einen Nachmittag lang packen die Politiker Stefan Korpan und Johann Bertl im Steigenberger Hof mit an – sie geben Kaffee und Kuchen aus und beantworten viele Fragen der Bewohner*innen.
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    Lisa Vogel